ÜBERGANG. Vom Talblick zum Meeresrauschen.
Mit der Entspanntheit eines Sonntags wachen wir wieder auf – im Paradies. Leider mit dem Wissen, dass wir dieses nun verlassen müssen, um ins nächste Paradies weiterzuziehen. Das überaus pünktliche Frühstück erinnert uns daran, dass wir loslegen sollten – und dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um den Ort in Ruhe in uns aufzusaugen.
Der Fahrer ist ganze 30 Minuten zu früh, und nach einem letzten Blick ins kleine Tal sitzen wir auch schon im Auto. Es geht Richtung Hafen.
Doch das ist kein Hafen, wie wir ihn aus Europa kennen: Entlang einer Straße in Meeresnähe reihen sich zahlreiche kleine Geschäfte aneinander, die Überfahrten zu verschiedensten Inseln anbieten – mal mit Schnellbooten, mal mit gemütlichen Fähren. Wir haben unsere Tickets bereits im Vorfeld reservieren lassen. Der erste Eindruck ist: Chaos. Doch beim genaueren Hinsehen erkennt man schnell, dass hier durchaus ein System herrscht – ein ganz eigenes zwar, aber immerhin. Unser Gepäck wird per Transporter bis zum Check-in gebracht.
Dort übernehmen wir es wieder selbst – in der Mittagshitze, unter der wir spätestens jetzt den berüchtigten „Schweiß des Lebens“ vergießen. Mit einer gehörigen Portion Geduld und Selbstbeherrschung warten wir in der Halle, umgeben von anderen Reisenden, die ebenfalls nicht ganz durchblicken, wie der Ablauf funktioniert. Wird man aufgerufen? Muss man zur richtigen Zeit einen Monitor checken, um das passende Check-in-Desk zu finden? Wird das alles pünktlich ablaufen oder verzögert sich das Ganze so sehr, dass wir bald kollektiv in unserem eigenen Schweiß baden?
Die Mischung aus Ungewissheit, stickiger Luft und vorfreudiger Aufregung ist nahezu greifbar.
Dann endlich: Eine Frau ruft mit durchdringender Stimme den Namen unserer Bootsfirma aus. Sofort bilden sich Menschentrauben um den Boarding-Desk – eine geordnete Schlange? Fehlanzeige. Einer nach dem anderen wird durchgewunken, und wir bahnen uns mit Sack und Pack den Weg hinaus in die pralle Sonne. Über einen schmalen, geländerlosen Steg geht es zum Fährboot.
Die Bootscrew ist perfekt eingespielt. Einer nimmt unsere Tickets entgegen, der nächste unser Gepäck, ein Dritter hilft uns beim Einsteigen, und ein Vierter zeigt uns unseren Platz und bittet, diesen zügig einzunehmen. Vorne im Boot wird unser Gepäck in einem Frachtraum verstaut. Als wir sitzen, wird schnell klar: Die Crew ist extrem organisiert und routiniert – das Boot ist in wenigen Minuten abfahrbereit.
Genau in dem Moment, in dem ich ein Foto machen will, durchzuckt es mich: Mein Telefon! Es liegt noch im Auto. Glücklicherweise erinnere ich mich sofort, wo genau. Ein schneller Anruf beim Fahrer – und das Telefon ist gefunden. Seine ruhige, vertrauenswürdige Stimme am anderen Ende versichert mir, dass er es sicher aufbewahren wird, bis wir nach Bali zurückkehren.
Das Boot legt langsam ab. Bald wippen wir schon über die Wellen. Die wenigen einheimischen Passagiere schlafen sofort, während alle anderen neugierig aus den Fenstern blicken – die übrigens so hoch sind, dass man im Sitzen gerade eben hinaussehen kann. Die Wellen werden wilder, und das Boot, das inzwischen seine Maximalgeschwindigkeit erreicht hat, beginnt vorn über die Wellen zu hüpfen. Nach etwa 30 Minuten stellen wir beruhigt fest: Wir halten die Fahrt erstaunlich gut aus. Die Sorge, seekrank zu werden, ist verflogen.
Langsam verlangsamt das Boot seine Fahrt, als es in die Bucht von Nusa Lembongan einfährt. Behutsam dreht es sich rückwärts und steuert den hellen Strand an, der sanft ins türkisfarbene Meer übergeht. Wie erwartet: Kein Steg. Stattdessen steigen wir direkt vom Boot ins seichte Wasser und waten an Land.
Dort warten wir geduldig, bis jedes einzelne Gepäckstück von der Crew an den Strand gebracht und den jeweiligen Personen übergeben wird. Inzwischen können wir beide nur noch an eines denken: eine Dusche.
Wir nehmen unser Gepäck entgegen und folgen einem jungen Mann auf einer sandigen Straße. Bei einem wartenden Tuk-Tuk wird unser Gepäck aufgeladen. Wir lassen uns auf der schmalen Sitzbank nieder, und los geht’s – quer über die Insel, über eine schmale unebene Strasse, hinauf auf eine Anhöhe.
In unserer neuen Unterkunft angekommen, merke ich, wie sehr mich die Reise geschlaucht hat. Zudem bin ich angeschlagen: Die Klimaanlagen der letzten Unterkünfte haben mir ein leichtes Kratzen im Hals hinterlassen. Nach einem flüchtigen Blick auf den Infinitypool mit atemberaubendem Ausblick auf die Bucht und einem herzlichen Empfang durch die Gastgeber, klappe ich in unserem kleinen Holzhaus auf dem Bett zusammen – und schlafe sofort eine Stunde.
Am Abend, kurz bevor die Sonne untergeht, geht es mit dem Roller hinunter zur Bucht. Entlang der langen Straße, die parallel zum Strand verläuft, reihen sich Warungs, Restaurants, Bars und kleine Läden aneinander. Doch mir geht es zunehmend schlechter. Wir beschließen, schnell etwas zu essen und möglichst bald zurückzukehren.
Das erste Lokal – ein hipper, aber wenig erwähnenswerter Laden – serviert eher kleine Portionen. Also geht’s weiter in ein Warung. Nach einer Portion Mie Goreng fahren wir durch die dunkle Nacht zurück die Anhöhe hinauf zu unserer Unterkunft.
Der Tag ist geschafft. Wir sind gut auf Nusa Lembongan angekommen.
Fazit: In Indonesien scheint vieles chaotisch – aber irgendwie ergibt sich immer genau das, was sich ergeben soll. Und das immer mit einem Lächeln.
12.04.2025 // Iasmin Böhringer