ENERGIE. Zwischen Gewitter und Götter.
Der Tag begann dramatisch: Früher Morgen, Gewitter. Donner, Blitz und Regen – als hätte Ubud beschlossen, uns mit einem kleinen Natur-Spektakel zu verabschieden. Kaum hatte der Regen auch nur ansatzweise nachgelassen, war Stefan schon unterwegs um den Roller zurück zu holen. Ganz der Macher.
Ich hingegen begann mit dem finalen Packen. Nach fünf Tagen sammelt sich doch einiges an, erstaunlich, wie sehr man sich in kurzer Zeit ausbreiten kann. Wie ein Schweizer Uhrwerk lief dann alles ab: Wäsche abgeholt, gefrühstückt, Roller pünktlich abgegeben, Schlüsselübergabe – und zack, saßen wir auch schon im Auto Richtung Sideman / Selat.
Die Autofahrt? Unterhaltsam, lehrreich und definitiv mehr als nur Transport von A nach B. Unser Fahrer entpuppte sich als wahre Quelle balinesischen Alltagswissens und erzählte uns einiges über Bräuche und Gepflogenheiten:
Banjar nennt sich der Treffpunkt in jedem Dorf. Nach der Arbeit versammeln sich dort die Männer zum Plausch – quasi das balinesische Pendant zum Stammtisch, nur ohne Bier und mit deutlich mehr Spiritualität.
Jedes Haus hat einen Tempel. Wer's sich leisten kann, baut diesen aus schwarzem Lavastein – und gerne mal größer als das Wohnhaus selbst.
Armut? Gibt’s nicht – so zumindest die Perspektive unseres Fahrers. Jeder besitzt ein Stück Land, und dieses Land ist die Grundlage für die eigene Existenz. Allerdings ist der Standort entscheidend: Ein abgelegenes Grundstück eignet sich oft hervorragend für die Landwirtschaft – Reis, Obst, Gemüse, alles, was die Erde hergibt. Liegt das Land jedoch in einer touristisch beliebten Region, wird daraus schnell ein ganz anderes Kapital geschlagen. Dort bauen Einheimische Unterkünfte – von einfachsten Gästezimmern bis hin zu ausgefallenen, luxuriösen Villen. (Letzteres trifft übrigens ziemlich gut auf die Unterkunft zu, zu der wir gerade unterwegs sind.)
Und dann: die Palmen! Auf Bali wird „keine“ Palme überragt – kein Haus, kein Hotel, maximal zwei, drei Stockwerke sind erlaubt. Die Kokosnuss ist heilig und spielt eine zentrale Rolle in den täglichen Zeremonien. Eine Frucht mit Sonderbehandlung.
In unserer neuen Unterkunft angekommen, wurde die Spannung erst mal auf die Spitze getrieben – das Zimmer war noch nicht fertig. Also hieß es: warten. Aber es hat sich gelohnt. Die Steinvilla liegt am Hang, hat nur Vorhänge statt fest verbaute Fenster, mit Blick über Reisfelder und kleine Wälder. Von der Fläche her wie unsere Wohnung in Basel, aber die Aussicht? Eine völlig andere Liga. Alles ist bis ins Detail durchdacht, stilvoll gestaltet, das Personal aufmerksam, freundlich – wir sind einfach geplättet von dieser pittoresken Kulisse mitten im balinesischem Dschungel.
Zum Aufenthalt bekamen wir einen Roller gestellt – und los ging's durch die dämmernde Kurvenstraße. Vorbei an Tempeln, wo bereits die Vorbereitungen für die großen, halbjährlichen Zeremonien liefen. Vollmond steht an, und wie wir später lernen: Zeremonien finden in den nächsten Tagen drei Mal täglich statt – und ja, sie sind kaum zu überhören.
In einem einfachen, lokalen Warung gab's klassisch Nasi Goreng und Mie Goreng – manchmal braucht's nicht mehr zum Glück. Gestärkt, leicht verregnet, machten wir uns auf den Rückweg. Der Asphalt dampfte in der Resthitze des Tages, während aus den Tempeln Gesänge und metallisches Geklimper zu uns herüberklangen. Die Zeremonie war noch in vollem Gange – Bali schläft eben nie ganz, wenn es um kulturelle Traditionen geht.
Zurück in der Unterkunft fielen wir fast augenblicklich in den Schlaf – immer noch etwas ungläubig darüber, an was für einem besonderen Ort wir gelandet sind.
10.04.2025 // Iasmin Böhringer