TIEFENBLAU. Letzter Tag in Amed.

Heute haben wir den Bogen raus. Es ist unser letzter voller Tag in Amed, und dieser muss genutzt werden.
Die Sonne zeigt sich heute, also bereiten wir uns auf einen klassischen Schnorcheltag vor. Sonnencreme gehört längst zur täglichen Routine. Genauso wie Stefans morgendlicher Bali Coffee – ein typischer balinesischer Kaffee, der ganz einfach zubereitet wird: fein gemahlener Kaffee wird direkt mit heißem Wasser aufgegossen. Ohne Filter. Der Kaffeesatz sinkt auf den Boden, und getrunken wird vorsichtig darüber hinweg. Kräftig, erdig – ein echtes Ritual. Ich bleibe bei meinem Kamillentee.

Zum Frühstück gibt es wie jeden Morgen das einfache, aber solide Hotelfrühstück: ein Omelette, eine Toastscheibe, dazu ein paar Fruchtstücke – und los geht’s.
In Badesachen, mit Schnorchel unter dem Arm, Handtuch dabei und Helm auf dem Kopf, schwingen wir uns auf den Roller und fahren zur ersten Station: eine Bucht, in der man oft Schildkröten sehen kann.

Wir schnorcheln eine Weile, aber die Schildkröten lassen sich heute nicht blicken. Und trotzdem: Kaum taucht man die Ohren unter Wasser, senkt sich eine fast meditative Ruhe über einen. Das Rauschen des eigenen Atems wird zur Begleitung, der Blick schweift über das, was sich im Sichtfeld bewegt. Keine Reizüberflutung, eher ein meditativer Zustand. So stelle ich mir echtes Abschalten vor – schweben, beobachten, annehmen.

Da sich keine Schildkröten zeigen, beschließen wir, weiterzuziehen – zu einer zweiten, ebenfalls bekannten Bucht. Der Weg dorthin ist etwas schwer zu finden, wir suchen nach dem richtigen Zugang zum Wasser. Schließlich erreichen wir einen steinigen Strand. Zum Verweilen eher ungemütlich, aber unter Wasser erwartet uns ein echtes Abenteuer.

Wir verstecken unsere Sachen unter einem Holzpodest und steigen langsam ins Meer. Zwischen riesigen Korallen und Anemonen beginnt der Tauchgang. Das Wasser wird tiefer, der Grund bleibt aber sichtbar. Doch weiter draußen nimmt das Licht ab, das Blau wird dunkler, geheimnisvoller.
Ich spüre plötzlich ein leichtes Unbehagen. Mein Kopf sagt mir, es gibt keinen Grund zur Sorge. Aber das Gefühl von unendlicher Tiefe gewinnt kurz die Oberhand. Ich greife instinktiv nach Stefans Arm, atme tief und bewusst. Mit jedem Atemzug löst sich das Gefühl, denn: Aus der blauen Tiefe tauchen nun die ersten Konturen des japanischen Schiffswracks auf.

Und plötzlich ist da alles andere vergessen. Fische in allen Farben schwirren um das Wrack, Korallen haben sich in das rostige Eisen gegraben, Pflanzen bewegen sich sanft in der Strömung.
Ich will näher ran. Bereite mich innerlich vor wie bei einem Apnoetauchgang. Ein letzter Atemzug – dann langsam, ruhig, konzentriert abtauchen.
Ich schaffe es erstaunlich tief und bin dem Wrack nahe. Der Moment ist kurz, aber intensiv. Wieder oben angekommen, sind wir beide erschöpft. Der Weg zum Wrack war schon anstrengend. Und auch der Rückweg zur Küste kostet Kraft – macht Appetit.

Wir steigen bei einem Warung mit Blick aufs Meer ab und genießen ein traditionelles indonesisches Mittagessen – würzig, sättigend, einfach gut.
Am Nachmittag cruisen wir mit dem Roller die Küstenstraße zurück nach Amed. Nach einer schnellen Süßwasserdusche bringt Stefan mich zur Maniküre – ein Erlebnis, das man sich in Bali mindestens einmal gönnen sollte.

Währenddessen unterhalte ich mich mit der jungen Frau, die meine Nägel pflegt. Sie erzählt mir, wie das Leben als verheiratete Frau auf Bali aussieht.
In vielen balinesischen Familien zieht die Frau nach der Heirat zur Familie des Ehemanns. Sie übernimmt dort Aufgaben im Haushalt, in der Zeremonienvorbereitung und lebt eng mit der Schwiegerfamilie zusammen. Religion, Respekt gegenüber Älteren und Gemeinschaft haben hohen Stellenwert. Persönliche Freiheit ist dadurch manchmal eingeschränkt – etwa bei der Berufswahl oder beim Reisen –, doch viele balinesische Frauen leben diese Rolle mit Würde, Hingabe und bemerkenswerter Zufriedenheit.

Ich bin beeindruckt von ihrer Gelassenheit und der tiefen Verbundenheit mit ihren Traditionen.
Am Abend treffen Stefan und ich uns wieder und beschließen den Tag bei einem weiteren traditionellen Dinner.

Letzte Aufgabe des Tages: einen Fahrer für morgen organisieren. Spontanität hat uns bisher nie im Stich gelassen, doch heute scheint es schwieriger zu sein. Die große Vollmondzeremonie am 23. April 2025 steht an – und das spürt man auf der ganzen Insel.
Die balinesische Vollmond-Zeremonie – „Purnama“ – ist ein bedeutender spiritueller Feiertag. An Vollmondtagen gilt die Energie als besonders stark. Tempel werden geschmückt, Opfergaben vorbereitet, es wird gebetet, meditiert, getanzt. Gerade der April-Vollmond ist besonders wichtig, da er oft mit größeren Zeremonien zusammenfällt, bei denen die ganze Dorfgemeinschaft mitwirkt – tagelang.

Deshalb ist es nicht leicht, jemanden zu finden, der an einem solchen Tag quer über die Insel fahren will. Doch wir haben Glück: Hendra erklärt sich bereit, uns zu einem fairen Preis von Amed zurück nach Uluwatu zu bringen – vom Norden in den Süden der Insel. Erleichtert gehen wir schlafen. Morgen wartet der Beginn für den letzten Abschnitt der Reise auf uns.

Iasmin Böhringer // 21.04.2025

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ULUWATU. Ein zweites erstes Mal.

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